Macondo-Festival 2005

Freitag, 11. November

20.00 Uhr, Theater unter Tage   

Gerhard Henschel: "Der 13. Beatle
(erscheint im Herbst 05 bei Hoffmann & Campe)

Ein Wunsch, der viele Beatles-Fans beseelt, wird einem jungen Mann aus Hamburg eines Tages von einer guten Fee erfüllt: Er darf als steinreicher Playboy in die Vergangenheit reisen, ins Jahr 1966, nach London, wo er versucht, die erste, fatale Begegnung zwischen Yoko Ono und John Lennon zu verhindern.

In London lässt sich der Zeitreisende einen falschen Pass auf den Namen Billy Shears ausstellen, checkt im Ritz ein und schreitet zur Tat: In einem anonymen Anruf informiert er die BBC darüber, dass er in der Indica Art Gallery eine Bombe versteckt habe. In dieser kleinen Kunstgalerie hätte John Lennon sonst am 9. November 1966 Yoko Ono kennengelernt.

Die Bombendrohung wird ernstgenommen. Die Polizei evakuiert das Gebäude und sperrt das Gelände ab. Als John Lennon eintrifft, kollidiert sein Mini Cooper mit einem Polizeiauto, und der verletzte Lennon fällt ins Koma, zum Entsetzen von Billy Shears: Statt sie, wie geplant, vor dem japanischen Spaltpilz Yoko Ono zu retten, hat er die Beatles zerstört, noch bevor sie das berühmte Sergeant-Pepper-Album aufnehmen konnten.

Während John Lennon auf der Intensivstation liegt, gründet Paul McCartney eine neue Band und schreibt zehn Jahre zu früh den Ohrwurm "Mull of Kintyre". George Harrison will nach Indien auswandern und Ringo Starr nach Hollywood umziehen, und als John Lennon nach vielen Wochen endlich aus dem Koma erwacht, schwört er seinem alten Leben ab und schließt sich der Heilsarmee an.

Billy Shears unternimmt nun alles Menschenmögliche, um die Beatles wieder zusammenzubringen und sie davon zu überzeugen, dass ihre irdische Mission noch nicht erfüllt sei. Im Londoner Nachtleben läuft er Marianne Faithfull, Eric Burdon, David Bowie, Roger Moore und Pete Townshend über den Weg. Er begegnet Roger Daltrey, Brian Epstein, Twiggy, Chas Chandler, Frank Zappa und auf einmal auch der großen Liebe. In Berlin zieht er sich am 2. Juni 1967 eine Schusswunde zu und wird von einem Studenten namens Benno Ohnesorg verarztet. Er geht auf den Trip mit den Rolling Stones, wird von Eric Clapton k.o. geschlagen, freundet sich mit Jimi Hendrix an und reist mit ihm zum Popfestival in Monterey, wo er mit Janis Joplin aneinandergerät. Eine blutige Nase holt er sich, als er Jim Morrison vor dem Teufel Alkohol warnt. Etwas friedlicher geht es zu, als Billy Shears im Fahrstuhl des Chelsea Hotels in New York mit Leonard Cohen plaudert.

Als "Yesterday Repair Man" wollte Billy Shears die Vergangenheit verbessern, doch er richtet fast nur Schaden an, und er bringt die gesamte Popmusikgeschichte so heillos durcheinander, dass er am Ende beschließt, seiner eigenen Mutter aufzulauern und ihr das Baby zu rauben, das er selbst gewesen ist – in der verzweifelten Hoffnung, durch diese Kindesentführung die Zukunft zu ändern, sein Rendezvous mit der Fee unmöglich zu machen und damit zugleich die gute alte Vergangenheit wiederherzustellen.


Gerhard Henschel, geboren 1962, lebt als freier Schriftsteller in Hamburg. Er veröffentlichte Satiren, Sachbücher und Romane, darunter „Kulturgeschichte der Mißverständnisse“ (mit Brigitte Kronauer und Eckhard Henscheid, 1998) und „Jahrhundert der Obszönität“ (mit Eckhard Henscheid, 2000). Bei Hoffmann und Campe erschienen zuletzt sein Roman „Kindheitsroman“ (2003) und „Die wirrsten Grafiken der Welt“ (2003).